17.05.–16.08.2015

White Noise

Sophie Bueno-Boutellier, Manuel Burgener, Nina Canell & Robin Watkins, Cevdet Erek, Judith Fegerl, Bruno Jakob, Judith Kakon

In einer Zeit, in der rund um die Uhr auf allen Kanälen gesendet wird, ist die Sendepause zur Ausnahme geworden. Die Zwischenräume zwischen den Sendekanälen, wo das Rauschen einst den Übergang zwischen Sendern oder das Ende des Sendetages markierte, ist es in der digitalen Welt nur noch selten hörbar. Im heutigen reiz- und bildüberfluteten Alltag ist die monotone Geräuschkulisse gar zu einem Konzept für Ruhe, Stille und Leere geworden. Downloadbare White Noise tracks versprechen einen besseren Schlaf, effizientere Stressreduktion und optimierte Fokussierung. In Grossraumbüros reguliert Pink Noise die Lärmanteile zu einer ruhigen und gleichzeitig anregenden Atmosphäre. Auch andere Farbtonalitäten von Geräuschen, etwa Blue, Green, Grey, Brown und Red Noise sind Audiokonzepte, deren Referenz zu farbigem Licht ein vergleichbares Spektrum unterschiedlicher Qualitäten und Einflüsse auf das mentale und visuelle Empfinden zugeschrieben wird. Das Rauschen wird dabei charakterisiert als eine chaotische Überlagerung aller Frequenzen zu einer neutralen, monotonen Geräuschkulisse. Rauschen entsteht in allen Frequenzbereichen, nicht nur im Bereich des Tons, sondern auch in demjenigen des Lichts. Es ist sowohl ein Konzept für das Nichts als auch eines für ein überwältigendes Alles - komplette Leere und absolute Fülle zugleich.

In der Geschichte der Kunst hat die Beschäftigung mit der Leere, etwa inszeniert als weisse Bildfläche oder lautloses Musikstück, eine lange Tradition. Um die Leere und das Nichts ranken sich auch unzählige Konzepte der Religion, Philosophie, Mathematik und der Naturwissenschaft. Absolute Leere, das Nichts, ist dabei ein theoretisches Phänomen geblieben. Für die meisten Menschen ist das Nichts gleichbedeutend mit der Abwesenheit von identifizierbaren Strukturen. Das Nichts entsteht gewissermassen im Auge des Betrachters und im Ohr des Hörers. Dort, wo die eigene Wahrnehmung nur noch wenige Haltepunkte besitzt, füllt die Imagination das Vakuum.

Die Ausstellung bringt Künstlerinnen und Künstler zusammen, die sich für das Unsichtbare, Latente und das Nichtdarstellbare interessieren. Mit ganz unterschiedlichen Mitteln und Ansätzen beziehen sie sich dabei auf das Phänomen des weissen Rauschens. Ihnen geht es teils um Reduktion und teils um Entgrenzung von Form und Inhalt. Sie arbeiten sowohl mit Sound und Farbe als auch mit Lautlosigkeit und Nicht-Farbe oder beziehen akustische, elektrische wie auch imaginäre Energien in ihre Experimente mit ein. In mehreren Arbeiten spielen die Architektur und der Ausstellungsraum, der White Cube, als neutrale Ideal-situation für die Präsentation von Kunst aber auch als Resonanz- und Wahrnehmungsraum eine bedeutende Rolle oder sie beschäftigen sich mit den Kontrollmechanismen sowie deren kreativer Umnutzung in Zeiten allgegenwärtiger Geräuschkulissen und Bilderfluten.

(Unterstützung)

Ausstellungsansicht
Ausstellungsansicht; Foto: David Aebi
Ausstellungsansicht, Judith Kakon, 2015
Ausstellungsansicht, Judith Kakon, 2015; Foto: David Aebi
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Judith Fegerl, cauter, Skizze
Foto: David Aebi
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