23.6. – 18.11.2001
Cerith Wyn Evans
Mit zwei grossen Installationen stellt sich der Künstler Cerith Wyn Evans (* 1958 in Wales, lebt und arbeitet in London) zum ersten Mal dem Schweizer Publikum vor. Cerith Wyn Evans, der in den achtziger Jahren zu den bekannten Filmemachern Englands gehörte – er arbeitete unter anderem mit Derek Jarman – arbeitet seit 1996 mit Installationen, Video, Fotografie, Feuerwerk- und Neonarbeiten. In Cerith Wyn Evans poetischen Tableaus nehmen Elemente oder Erkennungszeichen der Arbeiten seiner wichtigen Referenzpersonen aus Film, Literatur, Kunst und Philosophie Platz. Weit entfernt davon Zitat zu sein, agieren seine Ton, Bild und Textwelten als weitverzweigte und mehrdimensionale Netzwerke, die das Porträt der herbeigerufenen Personen, die Stimmung eines historischen Moments oder die geistesgeschichtliche Dimension einer theoretischen oder künstlerischen Arbeit in Umgebungen individueller Resonanzen überführen. Im Kunsthaus Glarus zeigt Cerith Wyn Evans die Rauminstallation Dreammachine nach Brion Gysin und eine Adaption der Andy Wahrhol Silver Flotation - Installation von 1966 zusammen mit der Neonarbeit Mobius Strip von 1997.
Die Umwandlung des Einen durch das Andere stehen in Cerith Wyn Evans Arbeiten immer wieder zentral. So wie eine Filmmusik die Wahrnehmung des Bildes oder der Erzählung bestimmen, beeinflussen, verändern, ja sogar umkehren kann, variiert er den Fundus bekannter Bilder, Geschichten, Erzählungen in einer der Kinematographie entlehnten Methode des Found Footage oder des Resampling zu Räumen der Reorganisation von Bildern, Geschichten, Erzählungen, Klängen und Wahrnehmungen.
Bestimmte, benennbare historische Zeitpunkte oder Ereignisse spielen in diesen Räumen poetischer Wiederaufführung eine wichtige Rolle, da sie Regel und Zufall befragen, ambivalent aufladen und objektgewordene Fakten mit individualisierten Wahrnehmungen verbinden. Wiederholung, Zitat, Appropriation nehmen in den Arbeiten Cerith Wyn Evans Bezug zur Kritik des Spekatulären bei Guy Debord, der die zyklische Wiederholung oder die Fixierung der Wiederholung als systemkonforme und systemerhaltene Strategien des Spektakels der Gegenwart analysiert. Er überführt die Wiederholung, das Zitat, die Appropriation in ein Potential für das Andere und die Veränderung.
Mit seinen Installationen im Kunsthaus Glarus der Dreammachine, den Silver Flotations und dem Mobius Strip spinnt Cerith Wyn Evans den Film seiner Referenzen und Umwandlungen weiter.
Dreammachine zeigt eine Rekonstruktion eines zylindrischen visuellen Apparates – «durch den man mit geschlossenen Augen Bilder sehen kann» - von Brion Gysin, dem Erfinder der Cut-Up Technik, dem bekannten Schriftsteller und Maler, der mit William S. Burroughs in enger Verbindung stand und der auch ein Weggefährte des Regisseurs war, dessen Film in der Installation zu sehen ist. In der Sitzlandschaft der Dreammachine zeigt Evans Gil Wolmans L’Anti-Concept Film von 1952, ein Kultfilm des Experimentalfilms, der ein abstraktes visuelles Rauschen vorführt. Dreammachine ist aber auch der Titel eines Films, den Cerith Wyn Evans 1984 mit Derek Jarman, Michael Kostiff und John Maybury drehte. Des weiteren bestimmen Marcel Broodthaers Palmen das mit japanischen Tatami-matten und Designmöbeln gestaltete Set. Eine Tonspur von Cerith Wyn Evans setzt sich aus mehr als 100 Tonquellen zusammen, die der Künstler im Umfeld von narrativen Evokationen zur Abstraktheit der Filmbilder und zu weiteren Referenzen seines Werkes entwickelt hat. Im Sinne Jean.-Luc Godards «Histoire (s) du Cinéma» eine Hommage an alles Auditive und Visuelle der Welt. Und nochmals Guy Debord: Sein Film von 1978 «In girum Imus Nocte et Consumimur Igni» (Wir irren des Nachts im Kreis und werden vom Feuer verzehrt) – ein Palindrom, das dem Künstler auch zu einer kreisförmigen Neonarbeit inspirierte, konnte der Künstler einst nicht sehen, anhand der Tonspur, die ihm zugänglich war, rekonstruierte er eine andere Bildwelt. Ein Musikstück dieses Films, der Titel «Whispher Not» des Art Blakey Sextetts wurde am 24.3. 1958, dem Geburtstag des Künstlers aufgezeichnet. Der zweite Film der Installation verbindet die beiden Installationen der Ausstellung. Willard Maas’ Andy Warhol's Silver Flotations (1966) ist das einzige Bilddokument Andy Wahrhols Installation von schwebenden silbernen Luftballonkissen in der Castelli Gallery in New York. Diese wiederum wird im Seitenlichtsaal wiederaufgeführt mit Erlaubnis der Wahrhol Foundation, in einer leicht variierten Kissengrösse schweben an die 300 Silberwolken zu Beginn der Ausstellung unter der Decke und sinken langsam zu Boden. Umkehrung, Positiv-Negativ, Mise en Abîme und Palindrome, Listen von Referenzen und die Interferenz und Reibung dieser schaffen ein Labyrinth von Erzählungen, die nicht linear erzählt werden wollen.