Seit 1870 sammelt der Glarner Kunstverein Werke regionaler, Schweizer sowie internationaler Künstler*innen. Exemplarisch lässt sich an der Sammlungstätigkeit vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die 1950er Jahre die Rezeptionsgeschichte von Schweizer Kunst und deren internationale Verflechtungen im 19. und 20. Jahrhundert nachvollziehen. In den 1880er und 1890er Jahren kaufte der Kunstverein vor allem Schweizer Landschaftsmalerei im Geiste des Klassizismus und der Romantik, so fanden Werke von Rudolf Koller, Balz Stäger und Johann Gottfried Steffan Eingang in die Sammlung. Der vorsichtige Annäherung der Sammlungstätigkeit an den Übergang in die künstlerische Moderne des 20. Jahrhunderts wird etwa am Gemälde In den Glarner Alpen (undatiert) von Jakob (Jacques) Ruch sichtbar: Eine Berglandschaft – ein herkömmliches Motiv der Landschafts- und Genremalerei – verbindet der Künstler mit einer an Giovanni Segantini und dem französischen Impressionismus geschulten Malweise. Die in 1910er Jahren angekauften Werke der Glarner Maler Ruch, Alexander Soldenhoff und Jakob Wäch vereinen Tendenzen der Malerei des 19. und des 20. Jahrhunderts. In der Zeit bis nach dem zweiten Weltkrieg konzentrierte sich der Glarner Kunstverein auf das Schliessen von Sammlungslücken hinsichtlich Schweizer Position und kaufte Werke etwa von Fritz Pauli, Otto Tschumi und Johann von Tscharner. Einzelne Ankäufe von Vertreter*innen der Moderne des 20. Jahrhunderts wurden durch die Initiative des mehrmaligen Präsidenten und langjährigen Vorstandsmitglieds und Sammlers Othmar Huber ermöglicht – so zum Beispiel das 1952 für den Kunstverein erworbene Gemälde Vor Sonnenaufgang (1925/1926) von Ernst Ludwig Kirchner. In den 1950er und 1960er Jahren wurde neben weiteren Ergänzungen der Konvolute eher gegenständlicher Malerei von Ernst Morgenthaler und Adolf Herbst auch abstrakte Malerei von Maly Blumer, Christine Gallati und Mathias Spescha angekauft.

Seit 1952, der Eröffnung des Kunsthaus Glarus, zeigte der Kunstverein die Sammlung immer wieder im Rahmen von Wechselausstellungen. In den 1960er und 1970er Jahren kaufte der Glarner Kunstverein eher einzelne Werke und Positionen, teilweise auch aus retrospektiven Ausstellungen mit Schweizer Künstler*innen – kohärente Werkgruppen kamen kaum noch zusammen. Seit den 1980er Jahren fokussierte der Kunstverein zudem vermehrt auf junge und lokale Künstler*innen und verstand sich zunehmend als Förderer einer international ausgerichteten Kunstszene. Die Schaffung einer Konservatorenstelle 1991 hatte nicht nur einen Einfluss auf die internationale und zeitgenössichen Ausrichtung des Hauses, sondern veränderte ebenfalls den Umgang mit den Sammlungen, die 1995 zum ersten Mal ausführlich katalogisiert und beschrieben wurden. Gleichzeitig wuchsen Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit näher zusammen – viele der Ankäufe kamen aus Wechselausstellung. Seit den 1990er Jahren erwarb der Kunstverein vermehrt auch Werke von international arbeitenden Schweizer Künstler*innen wie Olaf Breuning, Urs Lüthi und Annelies Štrba. Insgesamt kamen den letzten 150 Jahren – einerseits durch Ankäufe, andererseits durch Schenkungen und damit durch die Unterstützung von engagierten Vorstandsmitgliedern und lokalen Sammler*innen – eine heterogene Reihe von Werken und grösseren Konvoluten in die Obhut des Glarner Kunstvereins. Neben der eigenen Sammlung mit Deposita der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Gottfried Keller-Stiftung, grösseren Werkkonvoluten von Glarner Künstler*innen, darunter Paul Fröhlich, Greta Leuzinger und Lill Tschudi, beherbergt das Kunsthaus Glarus heute einen Teil der Sammlung Othmar Huber als Dauerleihgabe, die Sammlung Gustav Schneeli sowie die Sammlung Marc Egger.

Die Beschäftigung mit der Geschichte der Sammlung bietet immer eine Möglichkeit für ein kritisches Nachdenken über den eigenen Beitrag an die Kunstgeschichtsschreibung. «Sammeln, nicht zerstreuen und beim Sammeln das Augenmerk auf künstlerisch möglichst gute Werke richten», so beschrieb der Glarner Theologe und Lokalchronist Ernst Buss 1920 die Sammlungspolitik des Glarner Kunstvereins (Ernst Buss, Die Kunst im Glarnerland von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, hrsg. vom Glarner Kunstverein, 1920). Als hehres Ziel formuliert, lässt diese historische Beschreibung die Faktoren ausser Acht, die so häufig einen Sammlungsbestand prägen: künstlerische Konjunkturen, individuelle und kollektive Präferenzen und nicht zuletzt auch finanzielle Mittel. Die Fragen nach den Umständen des Sammelns und Ankaufens, beschäftigen häufig auch die Künstler*innen, die heute im Kunsthaus zu Ausstellungen eingeladen werden. Einerseits arbeiten einige von ihnen direkt mit den Sammlungen des Glarner Kunstvereins und binden diese in ihre Ausstellungen ein, andererseits konzentrieren sich aktuelle Ankäufe primär auf Werke von Künstler*innen, die im Kunsthaus Glarus gezeigt werden oder sogar für die Ausstellungen produziert wurden. So gingen in den letzten Jahren Werke von Mathis Gasser, Thomas Julier, Shana Moulton, Vanessa Safavi, Yorgos Sapountzis und Marta Riniker-Radich in die Sammlung ein. Das Zusammenkommen von lokalen und internationalen Kontexten prägt also auch noch heute die Sammlungen des Kunstvereins – durch die Nähe zum Ausstellungsprogramm des Kunsthauses schreibt die Sammlung eine Ausstellungsgeschichte mit.

Die Sammlungen sind nicht dauerhaft ausgestellt – eine Auswahl von Werken wird regelmässig in Ausstellungen gezeigt oder wird im Rahmen von Veranstaltungen im Schaudepot zugänglich. Der Sammlungskatalog Online macht einen Teil der Werke der Sammlung über die Webseite des Kunsthaus abrufbar und wird kontinuierlich erweitert.

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Elsbeth Böniger, Kolibri, 1980
Elsbeth Böniger, Kolibri, 1980;
Ferdinand Hodler, Selbstbildnis mit aufgerissenen Augen II, 1912
Ferdinand Hodler, Selbstbildnis mit aufgerissenen Augen II, 1912
Johann Gottfried Steffan, Klönthalersee (Mittag), 1873
Johann Gottfried Steffan, Klönthalersee (Mittag), 1873
Ernst Ludwig Kirchner, Am Waldrand, um 1935/36
Ernst Ludwig Kirchner, Am Waldrand, um 1935/36
Rudolf Koller, Heranziehendes Gewitter, 1889
Rudolf Koller, Heranziehendes Gewitter, 1889
Balz Stäger, Im hinteren Klöntal, 1902
Balz Stäger, Im hinteren Klöntal, 1902
Félix Vallotton, Baigneuse, 1908
Félix Vallotton, Baigneuse, 1908
Patrick Rohner, Nr. 95, 1997/98
Patrick Rohner, Nr. 95, 1997/98
11.Sammlung
Johann Gottfried Steffan, Vorfrühling am Starnbergersee, 1886
Yorgos Sapountzis, Urnerknabe am Schaufenster, 2013
Yorgos Sapountzis, Urnerknabe am Schaufenster, 2013
Annette Amberg, Porträt (2-teilig), 2010
Annette Amberg, Porträt (2-teilig), 2010 ; Foto: David Aebi
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