6.2. – 1.5.2011
Daniel Silver Coming Together
Der in London lebende Künstler Daniel Silver (*1972, lebt und arbeitet in London) wirbelt mit seiner bildhauerischen Arbeit allerhand Klischees der westlichen und nicht-westlichen Skulptur- und Kulturgeschichte durcheinander. Aufgewachsen in Israel als Sohn ehemals aus Osteuropa nach Südafrika und Zimbabwe ausgewanderter Eltern und Grosseltern, kam er früh mit dem unterschiedlichen Erbe des jeweiligen kulturellen Kontexts in Kontakt. Seine künstlerische Arbeit speist sich aus diesem «In-Between-State» und durchleuchtet das multikulturelle Erbe auf subtil augenzwinkernde, durchaus auch kritische Weise. Vor allem seine Auseinandersetzung mit der afrikanischen Bildhauerei lässt sich in einen Diskurs um post-kolonialistische Haltungen in der Kunst eingliedern. Silver nimmt dabei allerdings einen sehr persönlichen Standpunkt ein und verarbeitet wiederholt seine eigene Geschichte.
In seiner Einzelausstellung im Kunsthaus Glarus zeigt er mehrere Werkgruppen, die in direktem Kontakt und in Kooperation mit afrikanischen Bildhauern in Zimbabwe entstanden sind. Für die Werkgruppe Coming together (Head Series, 2006-2011) gab ihnen Silver Polizeibilder von in Texas zum Tode verurteilten afroamerikanischen Gefängnisinsassen, die er im Internet fand, und bat sie, diese zu Skulpturen in traditionellem Spring- und Soapstone zu verarbeiten. Erstmals mit dem Material Stein arbeitend und in Kooperation mit den Bildhauern, sie stellen sonst auch Objekte für den Tourismusmarkt her, entstanden expressive Porträts. Sie zeichnen sich durch eine eigentümliche Mischung aus abstrakt-modernistischer Skulptur und afrikanisch-expressiver Reduktion aus und besitzen eine raue und teils unvollendete Direktheit. In einem weiteren für die Ausstellung in Glarus entstandenen Werkkomplex der Coming together-Serie wiederholte er diese Zusammenarbeit mit Bildern von klassizistischen Porträtbüsten und liess so die westliche und afrikanische Tradition noch direkter aufeinanderprallen. Die Zusammenarbeit führt zu einer Verschmelzung der Autorenschaft und zu einem Experiment für Auftraggeber und -nehmer. Silver entwickelte für beide Skulpturengruppen spezifische Präsentationsformen. Statt sie auf traditionelle Weise zu zeigen, kleidet er die Werke in aktuelle afrikanische Stoffprints ein, die er wiederum in London fand, oder verleiht ihnen eine körperhafte Basisarchitektur, indem er sie auf an eine urbane Skyline erinnernde Sockel-Landschaft stellt. Das Display der neuen Serie erinnert in ihrer Patchwork-Sammlung von afrikanischen Stoffdrucken und den kooperativ bearbeiteten Figuren an exotische Schaufenster- oder gar touristische Verkaufsauslagen.
Für eine weitere Skulpturengruppe, die im Untergeschoss gezeigt wird, hat Daniel Silver Steinblöcke aus Carrara verarbeitet. Hier ist eine Auseinandersetzung mit modernistischer Skulptur, etwa von Henry Moore spürbar. Wiederum bekleidet Silver die Sockel mit Stoffen unterschiedlicher kultureller Backgrounds.
Parallel zu seiner bildhauerischen Arbeit zeigt Silver auch zwei Aquarell-Serien. Das Aquarellieren benutzt er bewusst als Ergänzung zur Bildhauerei. Er perforierte dabei die gestapelten Porträts einer kenianischen Frau analog zur Arbeit am Stein und liess Aquarellfarbe durch die entstandenen Löcher fliessen. Diese Vorgehensweise verleiht jedem Porträt seinen zufälligen, auratischen Farbverlauf.
Der Faszination für die direkte Bildhauerei und die Handarbeit mit dem Material haftet das modernistisch-romantische Klischee von Authentizität, individuellem Ausdruck, Direktheit und Vitalität an. Silver benutzt diese Assoziationen, um die zeitgenössische Bildhauerei danach zu befragen, was heute im Spiel zwischen persönlichem Ausdruck und cross-kulturellen Referenzen noch Aktualität besitzt. In der Arbeit mit den Bildhauern in Zimbabwe machte er sich nicht nur einseitig eine formale Arbeitsweise zu Nutze, sondern findet zu einer Verschmelzung der Autorenschaft und zu einem Experiment für Auftraggeber und -nehmer.