29.11.2003 – 11.1.2004
Rahel Opprecht Fokus-Preis 2003
Rahel Opprecht (*1970 in Hätzingen GL, lebt und arbeitet in Hätzingen) wurde letztes Jahr für ihr an der Ausstellung Kunstschaffen Glarus und Linthgebiet eingereichtes Werk der Kunstpreis des Glarner Kunstvereins zugesprochen. Es handelte sich dabei um ein grossformatiges Bild, das verschiedene Elemente in der Art einer Montage zusammenführte. Auf einem dunkelblauen Baumwolltuch als Bildträger, das unschwer als gefärbtes Leintuch zu erkennen war, waren weisse Stempeldrucke von Apfel- und Birnenhälften sowie unterschiedliche historische Etiketten von Glarner Textilherstellern zu erkennen. Diese bunten, manchmal exotisch wirkenden Etiketten, welche die Künstlerin auf Flohmärkten gesammelt hatte, waren wie Inseln auf dem blauen Grund verteilt. Sie verwiesen in der Art einer imaginären Landkarte auf die Handelsrouten, die im 19. Jahrhundert vom Glarnerland in den Orient, nach Süd- und Osteuropa führten.
Mit dieser Arbeit thematisierte Rahel Opprecht auf spielerische Weise einen wichtigen Aspekt der Geschichte des Kantons Glarus: Es geht um die Verwurzelung in einem kleinen Tal – versinnbildlicht durch das alte, mit Monogramm bestickte Leintuch und die einheimischen Früchte – und den Ausbruch in die ferne, unbekannte Welt, auf den die exotischen Destinationen auf den Etiketten verweisen. Diese Dualität zwischen dem Leben im engen Tal und der gleichzeitigen regen Exporttätigkeit der Glarner Textilindustrie im 19. Jahrhundert, den damit verbundenen Handelsreisen der Geschäftsleute in die abgelegensten Winkel der Erde und ihre Erinnerungen und Geschichten, die sie von diesen Orten in die Heimat zurückbrachten – all dies ist in diesem Werk enthalten. Es ist eine Arbeit die von Enge und Weite, von Nähe und Ferne, von Verwurzelung und Entwurzelung spricht.
Seit 1996 hat sich die künstlerische Tätigkeit von Rahel Opprecht intensiviert. Von 2000 bis 2002 besuchte sie den Vorkurs der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich und erlernte die Technik des Radierens. Verschiedene Drucktechniken (z.B. Monotypien, bei denen sie Glasplatten direkt mit Druckerschwärze und Fingern bearbeitete, Linoldrucke und bearbeitete Holzplatten, die ursprünglich als Druckvorlagen gedacht waren) kommen denn in ihrem Schaffen immer wieder vor. Seit je her wird ihre Arbeit stark geprägt von der Umgebung in der sie lebt. Ein Grossteil der Werke der Künstlerin entstehen denn auch aus gefundenen Objekten, Materialien und Formen, die aus ihrem Alltag stammen. Aufgewachsen in unmittelbarer Nähe der Textilfabrik Hätzingen, als Tochter einer Schneiderin, ist es wenig erstaunlich, dass in ihrer Arbeit die Auseinandersetzung mit Textilien zentral ist. Dennoch ist das Interesse am Textil nicht nur biografisch bedingt. Es sind vor allem die Veränderbarkeit, die Leichtigkeit und Lichtdurchlässigkeit, welche die Künstlerin an diesem Material faszinieren.
Für ihre erste grössere Einzelausstellung – die Fokusausstellung im Schneelisaal des Kunsthauses – plant Rahel Opprecht eine raumfüllende Installation mit Stoff. Lange Bahnen eines leichten, hellen Stoffes hängen von der Decke des Saals herunter, strukturieren den Raum und verändern seinen musealen Charakter. Assoziationen an den traditionellen Glarner Hänggiturm, einem durchlüfteten Raum unter dem Dach, wo die frischbedruckten Textilien zum Trocknen aufgehängt wurden, sind erlaubt, stehen aber nicht im Zentrum der Arbeit. Die Installation von Rahel Opprecht gestaltet sich als starker Eingriff in den Raum, der durch die Leichtigkeit und die fliessende Bewegung des Materials aber eine poetische Wirkung hat.