26.1. – 30.3.2003
How High Can You Fly
Nachdem in den 90er Jahren die Fotografie als das einzige Medium galt, das sich der Wirklichkeitsabbildung widmen konnte, fällt seit einiger Zeit auf, dass insbesondere eine jüngere Künstlergeneration Wege sucht, um die Figuration auf die Leinwand zurückzuholen. Künstlerinnen und Künstler adoptieren Strategien der kritischen Distanz, der Ironie und der Provokation, nicht zuletzt um die Konventionen der figurativen Repräsentation zu hinterfragen.
Charakteristisch für diese Art von Malerei ist die Kombination von verschiedensten Malstilen und Techniken auf demselben Bildträger, die üppige, pastose Verwendung von Farbe, die als abstraktes Element – als eine Anhäufung von Pigmenten, als reine Farbe, die sich noch nicht als Form konstituiert hat oder als barocke Ornamente – die gegenständliche Darstellung unterminiert. Die Farbe erscheint im Überfluss, rinnt, tröpfelt und wuchert, oft gänzlich unabhängig von der gegenständlichen Darstellung, so dass sie ihr Eigenleben zu haben scheint.
Gewisse Bildkompositionen erinnern an digitale Collagen, die spielerisch und unhierarchisch ästhetische Ausdrucksformen der High- und Low-Culture verbinden. Wieder andere appropriieren Stile, die sich bewusst in der Nähe von Kitsch ansiedeln und mit «schlechtem Geschmack» kokettieren. Die meisten dieser KünstlerInnen üben sich in einem Stilpluralismus, der sich entweder in der Kombination verschiedenster Stilelemente auf einem Bild oder aber auch im Verwenden verschiedenster Stile in einer Werkserie äussert. Auf der Ebene des Bildinhaltes wird auf alltägliche, unspektakuläre Motive aus unserer Freizeit- und Konsumkultur zurückgegriffen, die zum Teil bis zur Karikatur überzeichnet werden und durch ihre ironische Distanzierung jeglicher direkten Kritik entbehren.
Die Ausstellung How High Can You Fly präsentiert Werke von jungen in der Schweiz noch wenig bekannten Kunstschaffenden aus den Niederlanden, Deutschland und der Schweiz, die in den letzten Jahren mit ihrer Malerei aufgefallen sind. Fast keiner dieser Kunstschaffenden hat sich jedoch ausschliesslich der Malerei verschrieben. Stellvertretend für diese Tendenz wurden deshalb Antonietta Peeters und Vincent Kohler eingeladen ihre dreidimensionalen Arbeiten zu zeigen, die in engem Zusammenhang mit ihrer Malerei stehen. Den jungen KünstlerInnen werden Werke von Jean-Frédéric Schnyder und Jim Shaw gegenübergestellt, zwei Künstler, die seit langem bekannt sind für ihre approriationistischen Strategien und die damit einhergehenden konzeptuell begründeten Abstecher in den Bereich des schlechten Geschmacks.
Nachdem sich Sven Kroner (*1973 in Düsseldorf, lebt und arbeitet in Düsseldorf), ehemaliger Student der Kunstakademie Düsseldorf (Prof. Dieter Krieg), lange malerisch mit Autobahnlandschaften auseinandergesetzt hat, hat er vor zwei Jahren begonnen, Lawinenlandschaften zu malen. Er versucht jedoch nicht reale «Schneemassenabstürze» darzustellen, sondern präsentiert das Naturschauspiel als malerisches Ereignis – als Farbabgänge. Er benützt diese sowohl visuell als auch anekdotisch und toppt den Ereignisüberschuss mit Darstellungen von Hütten und Skifahrern, die karikaturhafte Züge tragen. Trotz der deutlichen Ironie, entlassen die Bilder den Betrachter jedoch nicht mit einer Pointe, sondern lassen die Faszination durch die Doppelbödigkeit der «malerischen Katastrophe» bestehen.
Vincent Kohler (*1976 in Lausanne, lebt und arbeitet in Lausanne), der 2001 sein Studium an der ECAL in Lausanne abgeschlossen hat und auch Mitglied des Künstlerkollektivs PAC ist, malt einfache «plakative» Bilder: eine «Sockenschlange» vor waldigem Hintergrund, ein comichaft gemaltes Marionettenkrokodil auf einer Wiese, Fleischstücke aus der Metzgerei vor einem blauen Hintergrund. Die Objekte, die er in Glarus präsentieren wird, sind von ähnlich trivialer Natur. Charlotte ist eine monumental aufgeblasene Skulptur eines aus Zahnstocher und Kartoffeln zusammengesteckten Drachens, «Saucisse» die Vermählung von überdimensionierten Waadtländer Würsten und brandenen Wellen. Durch die Monumentalisierung und heroische Inszenierung dieser Elemente aus dem Kinderzimmer und dem (Schweizer) Alltag, parodiert Kohler nicht zuletzt auch unsere Vorstellung von (nationaler) Identität.
Bernhard Martin (*1966 in Frankfurt a. M, lebt und arbeitet in Frankfurt a. M.) nennt sein Programm «der Gedanke der Beliebigkeit ohne beliebig zu sein». Seine Bilder werden «designt» und es existieren wie bei Herstellern von Markenfabrikaten verschiedene Linien, z.B. eine «Classic Line» oder eine «Romantic Line». Seine Bilder sind clevere Collagen aus Versatzstücken der Kunstgeschichte (wobei ihm vor allem die Renaissance als Inspiration dient) und unserer heutigen Freizeit- und Kommerzkultur. Mit technischer Meisterschaft lässt er die oft in scharfem Kontrast zueinander stehenden, hybriden Fragmente, welche in den unterschiedlichsten Techniken umgesetzt werden, zu einem Gesamtsystem verschmelzen. Trotz der übersteigerten Buntheit seiner Bilder und der Präsenz infantiler Bildwelten, wie sie z.B. in der Werbegrafik benutzt werden, sind die Themen von Bernhard Martin die klassischen Themen der Malerei: Landschaft, Stilleben, Porträt, Genre – allerdings übertragen in ein modernes Setting.
Gé-Karel van der Sterren (*1969 in Amsterdam, lebt und arbeitet in Amsterdam) zieht in seiner Malerei alle Register der Übertreibung: Seine Bilder sind überbunt, die Farbe wird zum Teil so dick aufgetragen wie Schlagsahne auf einen Kuchen (wobei Kuchen ein explizites Thema in seiner Arbeit sind) – hart an der Grenze des ästhetisch erträglichen. Ausgehend von einem reichen Fundus an Motiven malt er oft Variationen derselben. Nicht zuletzt tauchen immer wieder Motive auf, denen das Zerfliessen, das Verspritzen, Beschmutzen inhärent ist; so sind Schneemänner, Vogelhäuschen, Satellitenschüsseln, bunte Farblawinen, die ganze Strassenzüge unter sich begraben, wiederkehrende Motive. Obwohl seine Bilder immer figurativ sind, ist die Abstraktion, in Form der Farbexzesse, in seinen Bildern immer auch enthalten. Van der Sterrens Bildwelten haben die Atmosphäre eines dekadenten barocken Schauspiels mit einem beängstigenden und teilweise surrealistischen Beigeschmack.
Antonietta Peeters (*1967 in Amsterdam, lebt und arbeitet in Amsterdam) interessiert sich in ihrer künstlerischen Arbeit für den Raum zwischen den Dingen, für den Raum, der visuell nicht dargestellt werden kann. Sie versteht ihre Arbeit als Prothesen, als Extensionen ihrer Sinne. Ihre Objekte, Installationen und ihre Malerei stehen in einer ständigen Wechselbeziehung und beeinflussen sich in ihrer Entwicklung gegenseitig. Basis für viele ihrer Arbeiten sind Stapel von Postkarten mit stereotypen Motiven wie Hunde, Pferde, Auto- und Motorradrennfahrer und Landschaften, die sie mit schwarzem Filzstift überarbeitet, so dass die Motive nur noch als schwarze Löcher wahrnehmbar sind und so das Subjekt der Abbildung auf störende Weise abwesend ist. Ihre Objekte, von denen mehrere Werkgruppen (Helmets, Sunsets, Stills) im Kunsthaus gezeigt werden, sind gehäkelte Strukturen, die teils Segelartig aufgespannt werden, teils über eine Gitterstruktur gezogen werden: wuchernde Strukturen, die kein Zentrum besitzen.
Jean-Frédéric Schnyder (*1945 in Zug, lebt und arbeitet in Zug), gehört zu der Generation von Künstlern, die der Konzeptkunst verpflichtet sind, ihren Formalismus jedoch ablehnen und stattdessen versuchen, mittels Malerei wieder die Realität zu thematisieren. 1970 vollzieht er den entscheidenden Übergang von Pop Art und Konzeptkunst zu einer vordergründig traditionell anmutenden Ölmalerei, als klare Absage an den Kunstbetrieb, die Malerei ästhetisch und politisch totsagt. Schnyder identifiziert sich mit dem Maler als Handwerker und stellt gleichzeitig jeden Stil in Frage, indem er sich im Fundus der Kunstgeschichte und der Populärkultur bedient. Seine Bilder sind jedoch weder nur ein ironisches Spiel mit dem Geschmack der einfachen Leute, noch eine Persiflage auf die High-Art; sein Stilpluralismus ist Resultat seiner strengen malerischen Praxis, deren Spielregeln er sich selbst auferlegt und die oft in zusammenhängende Bildserien mündet.
Jim Shaw (lebt in Los Angeles) arbeitet seit den 70er Jahren in ausufernden Werkserien (Dreamobjects – eine visuelle Umsetzung seiner nächtlichen Träume, My Mirage – die Aufzeichnung von Stationen der Entwicklung des Protagonisten Billy oder aber der Spezialfall der Thrift Store Paintings – eine Sammlung von anonymen Bildern, die Shaw in langen Jahren in Brockenhäusern zusammengesucht hat...), in denen Werke in verschiedensten Medien von Zeichnung über Fotografie, Objekt, Installation und Malerei Platz finden. Sein Ansatz ist in den meisten Fällen – wenn auch auf sehr fragmentarische Art – erzählerisch, wobei die autobiografische Komponente dabei nur eine geringe Rolle spielt; vielmehr deckt er in seinen untereinander komplex vernetzten Arbeiten, die aus allen ästhetischen Sparten und Stilen schöpfen (Comic, Illustration, Werbung, Hochkunst, Amateurkunst etc.) Aspekte des amerikanischen Unterbewusstseins auf. Er verzichtet auf jegliche künstlerische Handschrift und arbeitet konsequent «im Stil von...».
Für weitere Informationen zur Ausstellung oder über die Künstler wenden Sie sich bitte ans Kunsthaus. Wir senden Ihnen digitales Bildmaterial gerne auf einer CD-Rom zu.