6.9. – 22.11.2009

Maja Bajevic Import Export

Die bosnisch-französische Künstlerin Maja Bajevic (*1967, lebt und arbeitet in Paris, Berlin und Sarajevo) verbindet in ihren Performances, Videos, Installationen und Fotografien das Private mit dem Öffentlichen und das Intime mit dem Politischen. Sie macht ihren subjektiven Blick auf Phänomene der globalisierten Welt zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen über Wahrheit, Identität und Heimat. Immer wieder geht es ihr um Themen wie den Missbrauch von Macht und Religion, um Migration und Marginalisierung des Fremden sowie um die Spannung zwischen dem Lokalen und dem Globalen. Sie schafft subtile Arbeiten, die politische und wirtschaftliche Strukturen unserer Zeit kritisch hinterfragen.

Eigens für die Einzelausstellung im Kunsthaus Glarus entstand eine Arbeit, in der sich Maja Bajevic mit der Glarner Textilgeschichte beschäftigt. In der Installation Export/Import (2009) im Seitenlichtsaal geht es um eine Gegenüberstellung der einstigen Handels- und Produktionsverhältnisse mit der heutigen Situation des globalen Marktes. Die Künstlerin gab dafür einer chinesischen Firma den Auftrag, historische Glarner Textilien neu als Malereien auf Leinwand zu fertigen und kommentiert damit die gewandelten Import/Export-Verhältnisse. Während in der Glarner Textilindustrie-Ära des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts die Produktion in Europa und der Verkauf in Afrika, der Türkei und Indonesien stattfand, stellt die Installation die heutige Situation als Umkehrung dar. Original und Kopie, Kunsthandwerk und Kunst stehen dabei plötzlich in einem irritierenden Verhältnis. Die Installation stellt Fragen nach den Bedingungen der heutigen Markt- und Handelswirtschaft, nach Auftrags- und Produktionskonditionen, nach den Wert- und Arbeitsverhältnissen aber auch nach deren Sinn und Sinnlosigkeit.

Eng im Zusammenhang mit diesem Interesse an wirtschaftlichen Prozessen, steht auch ihre Beschäftigung mit dem Thema der Migration. Die Videoinstallation Le Voyage (2006) verfolgt mit wackeliger Handkamera einen Migrationsweg aus Marokko in Richtung Europa. Parallel werden kurze Einblendungen aus dem arabisch untertitelten Hollywood-Film Casablanca eingeblendet. Der Traum des besseren Lebens eines Migranten aus Marokko wird mit demjenigen des Hollywoodkinos konfrontiert. Im Film war Marokko während des Zweiten Weltkrieges Zufluchtsort vieler Europäer, besonders Franzosen aber auch Amerikaner auf der Flucht nach Amerika vor den Nationalsozialisten, die Frankreich besetzt hielten. Schicksalhafte Wendungen, Korruption, der Handel mit Visa-Papieren und Ausreisegelegenheiten war damals wie heute ein Bestandteil der Situation. Der damalige Ort der Hoffnung und die Richtung der Migration haben sich jedoch heute in die Gegenrichtung gewendet. Mit dem Bezug zur Filmgeschichte verortet Maja Bajevic ihre Arbeiten in einem allgemeinen Diskurs von wiederkehrenden schicksalhaften Themen. Der Bezug zum Film steht in ihrer Arbeit für die Hoffnungen und Träume, die nicht zuletzt durch das Hollywoodkino geprägt sind, in der Realität jedoch oftmals in Destabilisierung, Identitätsverlust oder gar in lebensbedrohlichen Situationen enden.

Ein wichtiges Instrument der nationalen sowie der individuellen Identitätskonstruktion sind patriotische Lieder und Hymnen. Die Marseillaise, die im Film Casablanca Teil der Filmmusik ist, bildet etwa auch den Abschluss der Videoarbeit Le Voyage. Auch in der Ton-Installation Avanti Popolo (2002) arbeitet Maja Bajevic mit patriotischen Liedern. Dort lässt sie Menschen aus verschiedenen Ländern ihre identitätsstiftenden Lieder singen und installiert sie in verschiedenen «Soundinseln» im Ausstellungsraum. Die Installation mit zahlreichen Lautsprechern erinnert in ihrer Silhouette an die Skyline einer Metropole, eines Melting-Pots unterschiedlichster Nationalitäten. Die Besucherin und der Besucher aktivieren die Lieder mit einem Bewegungssensor, bis die einzelnen Lieder im Chaos aller untergehen. Was als einzelnes Lied als nationale Identität und offizielle Repräsentation der einzelnen Länder intendiert war, löst sich in einer absurden Kakophonie aller Nationalitäten auf.

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Maja Bajevic,
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