7.4. – 10.6.2001

Knut Asdam

1999 baute Knut Åsdam für den Nordischen Pavillon an der Biennale Venedig zwei dunkle, modernistische Glasarchitekturen in die auf lichte Offenheit angelegte Architektur aus den 60er Jahren. Einer der beiden Räume bot einem Film Eija-Liisa Ahtilas Kinoatmosphäre, im zweiten legte Knut Åsdam einen in Struktur und Bepflanzung an öffentliche Anlagen erinnernden Park an. Knut Åsdams Park konnte vom Publikum nur bei Tag besucht werden, dann aber war dort Nacht, da der Künstler die Glasscheiben mit lichtfilternden Folien abgedunkelt hatte. Man konnte hinaus sehen, aber niemand konnte hinein sehen. In der Nacht wendete sich der Park in das Gegenteil, die Pflanzen wuchsen mit Tageslichtlampen und der Pavillon stellte den Park als unzugängliches Bild eines Gartens aus.
Ein Besuch des Parks während der Öffnungszeiten versetzte den Besucher in die Erfahrung, die wohl jeder und jede aus nächtlichen Gängen in den öffentlichen Räumen von Stadtgebieten kennt: Die Dunkelheit verändert die Erfahrung der Räume und die Begegnung mit den Objekten, die sie füllen, in eine vermehrt physische, die eingeschränkte eigene Sicht und die erschwerte Sichtbarkeit der eigenen Person kreieren eine ambivalente Gleichzeitigkeit von einer Befreiung aus sozialen Konventionen und einer unkontrollierbaren Überwachungssituation, von freigesetzten Phantasiewelten, aber auch Phantasien latenter Gefahr.
Mit architektonischen Installationen, Texten, Fotografien, Sound- und Videoarbeiten untersucht der 1968 geborene norwegische Künstler mit Wohnsitz in New York das Verhältnis des Subjektes zu den Räumen, die unsere Erfahrung prägen. Dabei bezieht er ein weites Feld von Referenzen mit ein, das von Architektur über Philosophie zu Politik, Psychologie, Clubkultur und Sexualität reicht. Die Erfahrung von Hochhausarchitekturen und ihren Spiegelfassaden, die das Abbild des Subjektes und die Architektur selbst in Vervielfältigungen der Spiegelung verzerren, unscharf werden lassen; die dunklen Räume der Clubkultur und der seit den 90er Jahren wieder vermehrt zu verzeichnende Gebrauch halluzinatorischer Drogen konstatiert er im Sinne einer atmosphärischen Veränderung einer gesellschaftlichen Realität, deren festgeschriebene Konventionen und Rollenzuschreibungen Unschärfen zeigen und die Variation von Identifikationsmustern sucht und vermehrt zulässt.
Knut Åsdam bezieht sich in den Titeln seiner Werke immer wieder auf den Begriff der «Psychasthenia», den Roger Callois in den 30er Jahren geprägt hat. Mit Psychasthenia» setzt Callois das Phänomen der Camouflage von Insekten in Beziehung mit einem Typus der schizophrenen Erfahrung, bei dem sich die Erfahrung der Unterscheidung von Körperinnenraum und umgebendem Raum aufhebt. Callois setzt diese Erfahrung mit der Erfahrung von dunklen Räumen parallel: «In der Dunkelheit ist der Raum gefüllt, er berührt das Individuum, umfasst es, dringt in es ein, durchdringt es sogar... Die Dunkelheit begünstigt den Verlust von Subjektivität, man wird nicht klar erkannt, das erlaubt eine gewisse Art von Freiheit, andererseits kann man selber nicht klar sehen und dadurch gewinnt der Raum an Subjektivität.» (Åsdam)
Der Künstler benutzt für seine Untersuchungen deshalb häufig die Dunkelheit als Problematisierung des Verhältnisses von Persönlichkeit und Räumen der alltäglichen Realität. «In dunkeln Räumen wird jeder zum Teil einer eigenen Erzählung und Phantasie und gleichzeitig zu einem Teil der Erzählung und Phantasie der anderen.» In seinen Rauminstallationen, in denen man Videos anschauen und Texte oder Musik hören kann, schafft er so eine Schattenversion der Erfahrung zeitgenössischer Räume, die in deren Ästhetik das Unbewusste transportiert und so wiederum den Verlust des Subjektiven umkehrt. Im Unterschied zu den abstrakten Setzungen minimalistischer Kunst bei Dan Graham etwa sind Åsdams Arbeiten von den Umwandlungen des Unbewussten und emotional Subjektiven durchdrungen. Seine Räume sind sowohl strukturell wie über die darin vorhandenen Texte Erzählungen zu einer Positionierung des Individuums und einer Restrukturierung des Subjektiven.

Im Kunsthaus Glarus zeigt Knut Åsdam zwei Räume mit Texten und Videoarbeiten. Im Seitenlichtsaal interpretiert er die in Venedig realisierte Arbeit Psychasthenia: The Care of the Self in Bezug zu den umliegenden Parkanlagen des Museums. Im Oberlichtsaal verdoppelt er den Raum als Videopräsentationsraum mit einem oktagonalen Clubraum und präsentiert zwei neue Videoarbeiten.

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