2.3. – 1.6.2008
Raphael Hefti Langblitzpulver
Hinter Raphael Heftis (*1977 in Biel, lebt und arbeitet in Zürich) Nachtaufnahmen von Berglandschaften, die in den Jahren 2006 und 2007 entstanden sind, stehen unzählige technische Experimente, Konstruktionsversuche, Materialrecherchen und nächtliche Aktionen mitten in den Bergen. Der heutige Betrachter, für den es zur Gewohnheit geworden ist, anzunehmen, dass jedes Bild a priori digital bearbeitet wurde, muss sich vor Raphael Heftis Fotografien erst einmal umbesinnen. Was er zu sehen bekommt, ist nämlich nicht das Ergebnis von geschickter Bildbearbeitung am Computer, sondern das Ergebnis eines performativen Prozesses mit unbestimmtem Ausgang. Ob unter den Aufnahmen einer Nachtexpedition ein gelungenes Bild ist oder nicht, kann der Künstler erst in der Dunkelkammer beurteilen. Denn hierbei spielen viele unvorhersehbare Faktoren – sprich Zufälle – mit: die meteorologischen Verhältnisse (insbesondere Wind und Wolken) einerseits, die nicht unfehlbare Technik andererseits. Die Lichtquellen, welche die Berglandschaften in Raphael Heftis Fotos vom Himmel her in schwefelgelbes Licht tauchen oder gewisse Stellen taghell erleuchten, gibt es nicht standardmässig auf dem Markt zu kaufen – er hat sie selbst entwickelt. Er fixiert modifizierte Leuchtbomben der Schweizer Armee an eine komplexe, selbst gebaute Konstruktion, welche die Leuchten mittels gasgefüllter Ballons einige Minuten lang am Nachthimmel schweben lassen, bis sie verglüht sind. Für seine Einzelausstellung im Kunsthaus Glarus, seiner ersten in einem institutionellen Rahmen, hat Raphael Hefti eine neue Arbeit geschaffen, welche die Themen der Landschaftsfotografie und der Lichtinszenierung aufnehmen und weiterentwickeln. Allerdings hat er hierfür keine Fotografien produziert, sondern Lichtbewegungen in Landschaften bei Nacht mit der 16 mm Kamera gefilmt, was den Aspekt des Faktors Zeit in die Arbeit einfliessen lässt. Gefilmt wird – in Echtzeit – das nach der Zündung der Leuchtkörper rund 30 Sekunden währende Aufleuchten der Landschaft aus der schwarzen Nacht. Durch das gezielte Bewegen und Verschieben der Lichtquelle entstehen höchst eigenwillige Licht- und Schatteneffekte, welche die Landschaft stark verändern. Manchmal werden die Schatten zum eigentlichen Schauspiel und wecken Assoziationen beispielsweise an das Platonsche Höhlengleichnis. Manchmal lässt sich die Landschaft nur noch schwer als solche ausmachen; sie wird zu einem flackernden Ornament, das an abstrakte Filmexperimente der 1930er Jahre denken lässt. Die rund 1-minütigen Kurzfilme werden im Ausstellungsraum auf mehreren freistehenden Projektionsflächen als Endlosschlaufen gezeigt, wobei der vollkommen abgedunkelte Saal nur sporadisch von den projizierten ephemeren Lichterscheinungen erhellt wird. Ohne zusätzliche Schnitte oder Effekte lässt der auf Celluloid gebannte Prozess des Aufleuchtens und Verglühens der Lichtquellen ein Fade-in und Fade-out der Landschaften entstehen. Raphael Heftis skizzenhafte Filmsequenzen lassen Landschaftsfragmente aus dem Dunkel der Nacht auftauchen, wobei sie im Licht (und Rauch) der Leuchtbomben beinahe so künstlich wie Theaterkulissen oder Modellsituationen erscheinen. Grössenverhältnisse und Perspektiven erschliessen sich einem erst bei mehrmaligem Schauen oder dann, wenn unverhofft eine menschliche Figur im Bild auftaucht und den mystischen Lichtzauber schalkhaft als gebastelten Hollywoodeffekt entlarvt.