5.2. – 1.5.2005

Annelise Coste Loin loin loin

Das Medium Zeichnung spielt in der Arbeit der französischen Künstlerin Annelise Coste (*1973 bei Marseille, lebt und arbeitet in Zürich) eine zentrale Rolle. Obwohl sie immer auch andere Medien in ihre künstlerische Arbeit einbezogen hat, ist das Blatt ihr bevorzugter Ort der Auseinandersetzung mit sich und der Welt. Ihre Zeichnungen entstehen meist schnell und haben auf den Betrachter die Wirkung einer sehr direkten und spontanen Ausdrucksweise, die zuweilen mit handwerklichem Dilettantismus oder grafischem Anarchismus kokettiert. Vor ein paar Jahren war meist gewöhnliches Recyclingpapier im A4-Format Träger ihrer Zeichnungen, manchmal auch gefundene Papierresten oder kleinformatige Kartons. Diese bezeichnete und beschriftete sie mit aufmüpfigen, witzigen oder poetischen Botschaften und liess dabei die sich gegenseitig kommentierenden Text- und Bildelemente eine eigentümliche Verbindung eingehen. Mit der Verwendung von anderen Techniken wie z.B. Spray oder Airbrush wurden in der letzten Zeit auch die Papierformate immer grösser, so dass die Künstlerin nun manchmal auch die Grenzen des Blattes überschreitet und die Wände als Träger ihrer Zeichnungen benützt.

Die Wahl des Mediums Zeichnung ist für Annelise Coste nicht nur eine ästhetische Entscheidung, sondern hat mit dem seit der Moderne immer wieder geäusserten Wunsch zu tun, Kunst und Leben zu vereinen und – im Falle Annelise Costes – mit der Kunst auf unser soziales Leben einwirken zu können. So waren denn ihre frühen Arbeiten eher im Bereich der Aktionen anzusiedeln, die sie jeweils mit Video festhielt. Sie rannte z.B. in Tramperformance (1997) mit zwei Zürcher Trams um die Wette oder bot ihre Freunde auf, um kraft ihrer gemeinsamen Körperwärme das grosse Thermometer bei der Bahnhofshaltestelle um einige Grade steigen zu lassen – was tatsächlich gelang. Wenige Zeit darauf, traf man die Künstlerin in ihrer allerersten Ausstellung beim Zeichnen an. Sie benutzte den Ausstellungsraum bewusst nicht nur als Ort der Präsentation, sondern auch als Ort der Interaktion, wo sie lebte und arbeitete und ihre jeweils neu entstandenen Arbeiten in sich täglich verändernden Konstellationen zeigte. Zudem bezog sie die BesucherInnen in Gespräche ein, trank mit ihnen Café und legte des öfteren Fotokopien ihrer vor Ort entstandenen Zeichnungen auf, welche die BersucherInnen mit nach Hause nehmen konnten.

In den letzten Jahren ist die interaktionistische Seite ihrer Arbeit allerdings zu Gunsten einer inhaltlichen und formalen Verdichtung innerhalb ihrer Werke in den Hintergrund getreten. Hierbei gewann der Aspekt des Textes an Wichtigkeit. Annelise Coste benutzt die Schrift sowohl als visuellen Code, als auch als inhaltliches Mittel, um auf spielerische, unbeschwerte Art philosophisch existentielle Fragen aufzuwerfen, emotionale Botschaften in die Welt zu senden und ihrer Rebellion gegen die bestehenden politischen Zustände Ausdruck zu verleihen. Auflehnung gegen die Instanzen der Macht und der Autorität – seien diese in einem sozio-politischen oder privaten Umfeld angesiedelt – ist denn auch ein wiederkehrendes Thema in ihrer Arbeit. Ein grosser Teil von Annelise Costes Airbrush-Zeichnungen von 2004 entwickelte sich zu eigentlichen Textbildern, die eine gewisse Verwandtschaft mit visueller Poesie aufweisen. Es sind Kristallisationen aus Zitaten (oder Pseudozitaten), Schlüsselwörtern und poetischen Erfindungen, Kollagen aus Forderungen, Ausrufen, Anklagen und Fragen der Künstlerin, die teils vereinzelt auf dem weissen Papierbogen stehen, teils die Blätter regelrecht überwuchern – als Texte dennoch immer fragmentarisch bleiben.

Im Kunsthaus Glarus, ihrer ersten Einzelausstellung in einer bedeutenden Institution, wird Annelise Coste neben den Airbrush-Arbeiten auch ihre neuesten grossformatigen Zeichnungen und Aquarelle (u.a. aus der Serie Bleu Blanc Rouge, 2004) präsentieren und direkt auf die Wände des Kunsthauses zeichnen. Zudem werden auch ihre Skulpturen vorgestellt, kleine z.T. architekturähnliche Gebilde, die so instabil und fragil sind, dass der Zerfall, bzw. ihre gänzliche Zerstörung dem Werk eingeschrieben zu sein scheint. Zum ersten Mal zeigt Annelise Coste auch El Dorado, eine diaprojizierte Fotoserie von 2003. El Dorado, das Paradies auf Erden, wie es sarkastisch bei Voltaire zitiert wird, ist ein Versuch existentielle Lebenserfahrungen wie «das Vergehen der Zeit», «die Entscheidung», «die Gegenüberstellung» oder «der Tod» mit einfachsten Mitteln visuell darzustellen. Die Künstlerin inszeniert dazu mit kleinen Tonfigürchen in einer mit Goldfolie ausgeschlagenen Schachtel (dem stilisierten El Dorado) kleine Szenen, die sie «situations philosophico-existentielles» nennt. EL DORADO ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Künstlerin in ihrer künstlerischen Arbeit mit den ernsthaften Themen des Lebens umgeht – mit einer Prise Humor und einer spielerischen Leichtigkeit, die sie vor der Pathosfalle bewahrt.

KUNSTHAUSGLARUS signum SMALL 14 13 11 12 10 9 8 7 6 5 4 31 2 1