13.11.2011 – 22.1.2012

Neil Beloufa Topics Values

Neil Beloufa (*1985 in Paris, lebt und arbeitet in Paris) arbeitet stets medienübergreifend und verbindet Video, Installation, Skulptur und konzeptuelle Fotografie zu einem integralen Werk-Kosmos. In seinen Videos arbeitet er oft mit den Mitteln der ethnografischen Beobachtung und des Interviews und umkreist sowohl zeitgenössische gesellschaftliche Themenkomplexe als auch Science Fiction und Spekulation. In Ausstellungkontexten nimmt Beloufa jeweils präzise Interventionen in der Raum-Architektur vor. Die fragmentierten, aus bruchstückhaften Materialien zusammengebauten Strukturen unterlaufen beiläufig auch den Ausstellungsraum und lösen neben der filmischen auch auf der räumlichen Ebene eine Irritation aus. Fragmentierte und verschobene Perspektiven und Projektionsflächen oder in früheren Arbeiten das wiederkehrende Element der Farbe des Green-Screens, die in der Produktion von Spezial-Effekten im Filmstudio eingesetzt wird, verhindern eine eindimensionale Betrachtung der Videobilder und erfordern eine vielschichtige Wahrnehmung. Neil Beloufa integriert dieses Konzept der Dekonstruktion der Perspektive und der offenen Leerstelle in seine räumliche Arbeit und transformiert damit seine Installationen zu fragmentierten Settings.

In seiner Einzelausstellung im Kunsthaus Glarus zeigt Neil Beloufa eine Verknüpfung verschiedener Arbeiten zu einem räumlichen Parcours. Die einzelnen Knotenpunkte um verschiedene Videoarbeiten handeln jeweils von Zukunftsvisionen verschiedener Menschen und Orte, im high-tech geprägten nordamerikanischen Umfeld in Vancouver, in Paris sowie im Entwicklungsland Mali, die sowohl vom hypnotischen Glauben an eine vielversprechende Zukunft als auch einer magisch-apokalyptischen Resignation geprägt sind und als science-fiction-artige Zerrbilder dieser Gesellschaften erscheinen.

In der neuen Videoarbeit People's passion, lifestyle, beautiful wine, gigantic glass towers, all surrounded by water (2011) nimmt er Berichte von Bewohnerinnen und Bewohnern über eine nordamerikanische «Corporate City» in den Fokus. Mehrere Personen schildern das Leben der Menschen dieser mit Grün- und Wasserflächen, Sportplätzen und transparenten Glasarchitekturen modulierten Stadt, in der Freizeit und Arbeit sich perfekt durchdringen und die Menschen in einem freundschaftlichen Arbeitsumfeld immer aus Überzeugung und ohne wirtschaftlichen Erfolgsdruck handeln. Die Erzählungen bewegen sich auf einer subtilen Grenze zwischen mythologischer Paradiesvorstellung, fiktiver Zukunftsvision und realer Gegenwartsbeschreibung, utopischem Science Fiction und suggestivem Werbespot für den Ort aller Träume und Wünsche.

Daneben zeigt seine Videoarbeit Kempinski (2007) eine merkwürdig dystopische Szenerie, die irgendwo zwischen ethnographischer Dokumentation und Science-Fiction angesiedelt ist. Eine Gruppe von Menschen ausserhalb von Bamako in Mali erzählen in einer neonbeleuchteten, nächtlichen Szenerie in der Gegenwartsform über ihre ferne Zukunft, in der domestizierte Tiere und Menschen in familiären Lebensgemeinschaften leben, Maschinen und Werkzeuge wie Menschen handeln, Telepathie zwischen den Geschlechtern und Ortsverschiebung ohne zeitlichen Aufwand möglich sind. Die Erzählungen schaffen surreale Bilder eines Lebens, in dem scheinbar keine Unterscheidungen zwischen Menschen, Tieren und Dingen getroffen werden. Neil Beloufas Rolle in dieser Arbeit ist eine, die teils als westlicher Betrachter von aussen dokumentiert und gleichzeitig mit seiner familiären Herkunft in Nordafrika auch eigenen Anteil an der aktuellen Situation Afrikas reflektiert. Im Vakuum der diskrepanten Lebensstile eröffnet sich ein Reflexionsraum, der hintergründig auch die Erwartungen eines westlichen Publikums an afrikanische Zukunftsvisionen verhandelt und umgekehrt. Neil Beloufa zeigt ein Bild Afrikas, das eine ambivalente Zukunft antizipiert, weniger am wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt orientiert, als an einer Art futuristischem Animismus. Fern aller Klischees und stereotyper Weltordnungs-Parameter führt die Arbeit so auch die Relativität sowohl von westlich zentrierter Wahrnehmung als auch von Wirklichkeit an sich vor Augen.

(Unterstützung)

Ausstellungsansicht
Foto: David Aebi
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Neil Beloufa,
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