24.8. – 23.11.2014

Bastien Aubry / Dimitri Broquard Coupé-décalé

Das Schweizer Künstlerduo Bastien Aubry (*1974, lebt und arbeitet in Zürich) und Dimitri Broquard (*1969, lebt und arbeitet in Zürich) lotet mit seinen Arbeiten gekonnt die Grenze zwischen Kunst, Design und Populärkultur aus. Das Duo kokettiert mit traditionellem Handwerk, Do-It-Yourself, dem Missglückten und Fehlerhaften sowie dem Fake als Reaktion auf die Perfektion und Stilsicherheit des modernen Designs und der Kunst. Zeichnung, Collage, Fotoshop-Malerei, Pappmaché und besonders auch Keramik sind ihre bevorzugten Medien. Augenzwinkernd streifen Bastien Aubry und Dimitri Broquard durch die Gefilde der Moderne und Postmoderne, greifen Motive und Referenzen auf und versehen sie mit einem grotesken Twist. Alltagsobjekte liefern ihnen Ausgangspunkte für Adaptionen und Abstraktionen. Für die Präsentation der eher kleinformatigen Objekte entwickeln sie Sockel und Regale als integrale Werkbestandteile, die auf berühmte Vorbilder der modernen und postmodernen Kunst oder das Möbeldesign verweisen, tatsächlich jedoch meist aus billigen Baumarktmaterialien gefertigt sind. Der Reiz ihrer Arbeiten liegt in der Karikatur des guten sowie des schlechten Geschmacks und dem Spiel mit dem Alltäglichen. Der Ausstellungstitel Coupé-Décalé (dt. schneiden-verschieben) deutet solche Kontext- und Bedeutungsverschiebungen an. Der Titel ist einer schelmischen Musik- und Tanzszene entlehnt, die 2003 in der Pariser Diaspora von Musikern aus Côte d‘Ivoire begründet wurde. Er bedeutet dort so viel wie «betrunken sein» oder «Unfug treiben» aber auch «in die Heimat abhauen», um dort mit dem in reichen Ländern verdienten Geld das exzessive und extravagante Leben zu geniessen. Nonchalant und schlagfertig geben sich auch Aubry/Broquard der Faszination der Konsumkultur hin.

Im Seitenlichtsaal des Kunsthaus Glarus zeigt das Künstlerduo eine Rauminstallation mit ausrangierten CD-Regalen, die auf Fake-Steinsockeln platziert sind. Die Skyline dieser Design-Ruinen des Wohnalltags der 1980er und 90er Jahre erinnert nur noch vage an den postmodernen Glanz ihrer Zeit. Heute sind die Regale zu Spottpreisen im Brockenhaus erhältlich und auch die CD als Tonträger ist bereits ein Relikt der Musikgeschichte. Aubry/Broquard laden den Jazzmusiker Philip Schaufelberger dazu ein, mit den totgesagten CD-Ständern ein Musikstück zu komponieren. Die einstmaligen Gebrauchsgegenstände werden so zu Musikinstrumenten umfunktioniert und erhalten ein alternatives Leben als klingende Grossstadt. Im selben Raum befinden sich mit rauhem Aussenputz bearbeitete eingebaute Ausstellungswände, auf denen in profanen Infoschaukasten Collagen aus Versatzstück-Bildern von allerlei Alltagsobjekten arrangiert sind. Cut-and-Paste findet auf digitaler und manueller Ebene statt - teils mit Photoshop-Werkzeug und teils mit der Schere. In den Collagen verflechten sich skulpturale Formen mit 3D-Malerei und flächiger Zeichnung auf handfestem Papier zu hybriden abstrakten Kompositionen zwischen High und Low. Inspiration dazu findet das Duo unterwegs im Alltag, in der Art Brut, im Primitivismus, der Moderne und der Pop Art, in Ruinen und zerfallenden Dingen sowie in der Illusion – etwa dem Trompe-l’Oeil. Nicht nur im Ausstellungsraum, sondern auch in den Collagen entstehen radikale Konfrontationen: Materialitäten reiben sich, Traditionelles kollidiert mit Zeitgenössischem, die Zuordnungen von Innen und Aussen, Realem und Simuliertem entgleiten.

Auch im Oberlichtsaal werden Perspektiven verschoben und klare Zuordnungen entzogen. Einfache Spanplatten changieren plötzlich zwischen Bildträgern, eigenständigen Bildern, raumgreifender Skulptur und gar Ausstellungsarchitektur und Bühnenbau. Die Keramikobjekte, die die Künstler zusammen mit dem jurassischen Keramiker Eric Rihs hergestellt haben, sind in loser abstrakter Anordnung auf die rauh verputzten Spanplatten montiert. Sie sind betont handgemacht und changieren zwischen ungelenken abstrakten Formen und an Alltagsgegenständen orientiert Liegengebliebenem. Auch sie funktionieren auf mehreren Ebenen: als eigenständige Objekte und als abstrakte (Pinsel-)kompositionen auf ihren Bildträgern, den verputzen Sperrholzwänden. Objekt und Display verschmelzen zu einer räumlichen Gesamtkomposition. Die Wände stehen schief zueinander im Ausstellungsraum und sind mit mutwillig manipulierten Eisenstangen verbunden, so dass sich ein abstraktes, ebenfalls etwas ungelenkes räumliches Setting zwischen missglückter Ausstellungsarchitektur und installativem Gesamtkunstwerk ergibt. Abweichung von der Standardform, die Poesie des Zufalls und des Scheiterns sind hier Absicht und gezielte augenzwinkernde Reaktion auf die Standardisierungen und die Perfektion des modernen Designs. Gleichzeitig erinnern die Kompositionen auf den Wänden an Kletterwände in Freizeitparks und bilden so einen ironischen Seitenhieb auf die Freizeitkultur, in der nicht selten die abstrakte Kunst in volkstümlicher Ausführung durchblitzt.

Installationsansicht
Installationsansicht; Foto: David Aebi
Installationsansicht
Installationsansicht; Foto: David Aebi
Installationsansicht
Installationsansicht; Foto: David Aebi
Installationsansicht
Installationsansicht; Foto: David Aebi
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